Sehr geehrte Damen und Herren,
der oben genannte Artikel ist zwar bereits vor einer Woche im GT erschienen, aber ich möchte ich trotzdem noch in Form eines Leserbriefes dazu äußern und bitte im Abdruck.
Seit 2005 lebe und arbeite ich in Nicaragua und die Problematik der Nierenerkrankungen ist mir gut bekannt. Daher sehe ich die Angelegenheit vielleicht aus einer anderen Perspektive. Die Abwägung, ob doch nicht eher die Göttinger Tafel oder andere lokale Initiativen unterstützt werden sollten anstatt EUR 35,000 nach Nicaragua zu senden, finde ich doch etwas merkwürdig. Vielleicht sollte in diesem Zusammenhang über folgendes nachgedacht werden: Bürgerinnen und Bürger in Göttingens Partnerstadt La Paz Centro erkranken schwer, damit Göttinger Bürgerinnen und Bürger "Bio"-sprit in ihre Autos tanken können. Die meisten Leute, die erkranken, arbeiten auf Zuckerrohrplantagen zur Produktion von Ethanol als Benzinzusatz in Europa. Wenn man es so sieht, ist die Spende noch nicht einmal eine humanistische Großtat, sondern eher eine Entschädigungszahlung.
Das zweite, worüber nachgedacht werden müsste, ist, warum der Exportweltmeister Deutschland nicht auch Weltmeister in sozialer Absicherung seiner Bürgerinnen und Bürger ist. Wieso kann eines der reichsten Länder der Welt nicht gewährleisten, dass alle ein menschenwürdiges Leben führen können ohne von "Tafeln" abhängig zu sein. Alleine schon der Begriff ist zynisch. Nach dem Bedeutungswörterbuch des Duden ist eine Tafel ein "großer, für eine festliche Mahlzeit gedeckter Tisch".
Ich sende Ihnen viele Grüße aus Estelí, Nicaragua
Manfred Bienert